Aufgabe 1
a) Arbeite aus dem Text Regeln für die Bildgestaltung von Bernd und Hilla Becher heraus. Notiere sie.
b) Betrachte die Dokumentation zu Bernd & Hilla Becher. Notiere weitere typische Gestaltungsmittel.
Das fotografische Werk des Künstlerpaares Becher ist seit ihren Anfängen in den 1960ern stets ein zentraler Gegenstand formalästhetischer Diskussionen und Analysen. Darüber hinaus ist das Werk der Bechers selbst mittlerweile ein unverzichtbarer Bestandteil der jüngeren Kunstgeschichte. Für sie hat sich der Umgang mit dem Medium Fotografie am Vokabular des Sichtbaren auszurichten. Die daraus erfolgenden formalen Festlegungen haben sich am jeweiligen Inhalt, an den Themen zu orientieren – in ihrem Fall der industriellen Architektur. Hilla und Bernd Becher sind dem über Jahrzehnte hinweg systematisch treu geblieben und begründeten damit eine neue Tradition der Dokumentarfotografie.
Mit Bezug auf die Bechers lässt sich eine möglichst nüchterne, sachliche Fotographie schulen. Als Gegenstück zu den stark inszenierten und überformten Wirklichkeiten der Schülerinnen und Schüler bietet diese Form der Bildsprache eine Besinnung auf das Wesentliche gegebener Dingwelten. In der hier konzipierten Reihe erarbeiten sich die Schülerinnen und Schüler zuerst in einer theoretischen Auseinandersetzung mit dem Werk der Bechers deren grundlegende formale Gestaltungsmittel. Daran lässt sich eine gestaltungspraktische Aufgabe im Stil der Typologien anknüpfen. Die hier vorgeschlagene Abgabeform ist ein Leporello, natürlich lässt sich auch eine Abgabeform wählen, die näher an dem Werk der Bechers orientiert ist.
Bernhard (1931 – 2007) und Hilla (1934 – 2015) Becher erwarben als Künstlerpaar mit ihren Schwarz-Weiß-Fotografien von Fachwerkhäusern und Industriebauten (wie Fördertürmen, Hochöfen, Kohlebunkern, Fabrikhallen, Gasometern, Getreidesilos und komplexen Industrielandschaften) internationales Renommee als Fotograf:innen.
Sie begründeten die bekannte Düsseldorfer Photoschule. Beide bildeten viele fotografische Persönlichkeiten aus, die als „Becher-Schule“ heute aus internationaler Sicht herausragende Vertreter der deutschen Fotografie sind. Dazu gehören u. a. Andreas Gursky, Thomas Struth, Candida Höfer, Thomas Ruff und viele mehr.
Bernd und Hilla Becher nahmen ihre gemeinsame fotografische Praxis während des Studiums auf. Sie verfolgten das Ziel, Industriebauten zu dokumentieren, die typisch für ihren Entstehungszeitraum und vielfach vom Abriss bedroht waren. Ihnen ging es, mit Ausnahme ihrer Dokumentation von Siegerländer Fachwerkbauten, immer um industrielle Produktionsanlagen und solche Industriegebäude, die im Zusammenhang mit der Produktion von Gütern standen. Kennzeichnend für ihr Vorgehen sind häufig „Abwicklungen“, sechs, neun, zwölf oder mehr Fotografien desselben Objekts in festgelegten differierenden Winkeln. Dadurch entstanden „Typologien“ industrieller Bauten.
Die Fotografien wurden betont sachlich konzipiert. In ihrer Aufnahmetechnik bevorzugten Bernd und Hilla Becher Zentralperspektiven, Verzerrungsfreiheit, Menschenleere und ein wolkenverhangenes weiches Sonnenlicht. Damit auch Einzelheiten präzise wiedergegeben werden, benutzten sie Großformatkameras mit dem Format 13 × 18 cm. Die Komposition der Bilder lässt die Oberflächenstrukturen und den Aufbau der grundsätzlich mittig platzierten Bauten stark hervortreten.
Angesichts der Stahl- & Kohlekrisen der 1970er und 1980er Jahre fotografierten sie viele Bauwerke, die kurz darauf für immer verschwanden. Ihre Bilder machen uns eine verlorengegangene Ikonographie* bewusst. So entstand mit ihrem Werk eine einmalige Sammlung von Industriebauten in ihrer Vielfalt, wie sie nur noch in wenigen Einzelbeispielen überliefert sind. Bernd und Hilla Becher prägten für die industrielle Architektur den Begriff der „nomadischen Architektur“, folgen die Errichtung und der Abriss dieser Gebäude doch den Interessen von Kapitalverwertung und Profitgewinnung (Zitat: „Nomadenvölker hinter- lassen keine Ruinen.“). In diesem Sinne verstanden sich die Bechers auch als Archäologen der Industriearchitektur. Ihre Arbeit war Spurensuche und kulturelle Anthropologie zugleich.
Das fotografische Werk von Bernd und Hilla Becher ist ein Serienkonzept im Sinne der Neuen Sachlichkeit. Aus Sicht der bildenden Kunst wurde es bald der Konzeptkunst zugeordnet.
*Ikonographie: griech. εἰκών: Bild+ γράφειν: schreiben > eine wissenschaftliche Methode der Kunstgeschichte, die sich mit der Bestimmung und Deutung von Motiven in Kunstwerken beschäftigt.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenDer inhaltliche Bezugspunkt der Typologien soll das Thema (Klein-)Bürgertum sein. Die Aufgabe hat damit einen soziologischen Inhalt. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich daher in mindestens einer Doppelstunde mit der soziologischen Dimension dieses Begriffes auseinandersetzen. Wie dies umgesetzt werden kann, ist weiter unten angeführt und kann / sollte weiter ergänzt werden.
Der Begriff „kleinbürgerlich“ hat in Deutschland eine spezifische Geschichte. Mit dem Begriff wird – oder wurde – eine besonders spießige, überkorrekte Verhaltens- und Lebensform beschrieben. Kleinbürgerlich meint eine Lebensweise, die sehr beschränkt und nur auf die eigene kleine Welt bezogen ist. Daher muss das Spezifische dieses Begriffes unbedingt inhaltlich herausgearbeitet UND mit passendem Bildmaterial aufgefüllt werden.
Der Kunstunterricht sollte nicht primär dazu da sein, „schöne“ Bilder zu produzieren, die schlussendlich entweder inhaltlich leer oder flach sind – flach im Sinne einer platten, plumpen, affirmativen Symbolik. Dass Schülerinnen und Schüler inhaltlich fundierte Werke hervorbringen können, müssen wir ihnen inhaltlich fundierte Materialien zur Verfügung stellen. Zu Beginn der Arbeit sollte also primär die inhaltliche Überlegung stehen – und nicht eine bereits fixe, „schöne“ Bild-Idee. Die Grundlage dieser gestaltungspraktischen Arbeit ist daher so gewählt, dass die Lerngruppe von einem abstrakten Begriff ausgehen und sich diesen in einem ersten Schritt erschließen muss. Erst auf Basis eines fundierten Begriffs-Verständnisses ist es dann – in einem zweiten Schritt – möglich, den Begriff mit bildnerischen Inhalten zu füllen.
Die Aufgaben der vorangestellten Aufgaben sollten mindestens durch diese beiden Erarbeitungsphasen unterstützt werden:
Bei meiner ersten Durchführung dieser Aufgabe hieß der Titel noch kleinbürgerliche Typologien (ohne die Einklammerung), da ich wollte, dass die Lerngruppe sich auf die Suche nach dem Kleinbürgertum macht. Wo sind sie, die typischen Kleinbürger? Gibt es sie heute noch?
Spannender Weise haben wir schon während der Begriffs-Analyse und beim Suchen der ersten Bilder festgestellt, dass das Kleinbürgerliche – sprich Spießige und Über-Korrekte – nicht mehr in der untersten Schicht des Bürgertums aufzufinden ist. Ursprünglich wurde der Begriff „Kleinbürgertum“ den Menschen der unteren Schicht des Bürgertums zugeschrieben, wie Handwerker, kleine Kaufleute, Volksschullehrer und so weiter. Konzipiert war der Begriff als Gegenbegriff zum Großbürgertum. Die Kleinbürger haben einen speziellen Habitus herausgebildet, um sich von den „unter ihnen“ befindlichen Arbeiterinnen und Arbeitern, dem Proletariat, ganz deutlich abzugrenzen.
Nun stellt sich aber heraus, dass die heutigen Spießer und Über-Korrekten nicht mehr nur in dieser Schicht stecken. Das Spießige und (moralisch) Über-Korrekte lässt sich in vielen Objekten finden, denen sich eine andere gesellschaftliche Schicht ganz bewusst bedient. Überlegt doch mal selbst – und mit euren Schülerinnen und Schülern – wieso und wozu diese Abgrenzung erfolgt. Und weshalb sie heutzutage von einer anderen Schicht benötigt wird.
Melanie arbeitet als Studienrätin an einem Gymnasium und unterrichtet die Fächer Kunst, Philosophie und Ethik. Ihr pädagogischer Ansatz ist es, zu vermitteln, wie wichtig es ist, das Gegebene kritisch zu hinterfragen. Ihr liegt viel daran, im Unterricht Räume für praxisnahes Erleben, individuelles Erproben und Experimentieren zu schaffen. Ihr großes Experimentierfeld ist daher eine Form von individualisierendem Werkstatt-Unterricht.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Brevo. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie müssen den Inhalt von reCAPTCHA laden, um das Formular abzuschicken. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten mit Drittanbietern ausgetauscht werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Facebook. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Instagram. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr Informationen
Bin kein Lehrer/Lehrerin nur eine ehemalige Schülerin die es nicht schafft an Kunstschulen zu kommen,
Suche daher einfach selber nach Projekten die ich privat umsetzen kann.
Hallo Melanie,
ich bin Kunstlehrerin an einem Gymnasium und finde eure Idee wirklich inspirierend, gerade auch deshalb, weil ich leider keine Fachkolleg*in habe und allein „auf weiter Flur“ bin.
Im 10er Kurs habe ich dein tolles Typologie-Projekt durchgeführt von A bis Z. Es hat zeitlich wunderbar funktioniert und die Kids waren gut dabei. Sie fanden die Mischung aus Fototheorie und Bildanalyse, Fotosession und Basteln richtig gut. Ich auch! Es sind richtig gute Ergebnisse entstanden mit spannenden (klein)bürgerlichen Motiven. Gern schicke ich auch mal ein Fotos von den Ergebnissen (wo kann ich das tun?)
Der youtube-Kanal ist übrigens auch spitze sowie die Materialien in der Dropbox. Einfach toll was du da machst und uns teilhaben lässt.
Beste Grüße,
Manu
Hallo Manu. Entschuldige bitte die späte Antwort, ich schau’ hier nicht o oft in die Kommentare. Vielen Dank für dein Feedback zur Reihe. Klasse, dass es auch mit den Zehnern läuft! Über Bilder freue ich mich. > Schicke sie gerne an meine Schul-Mailadresse: sf @ brechtschule. info (zusammen geschrieben)
Liebe Grüße | Melanie
Hallo Melanie :) Ich finde deine Unterrichtsreihe wirklich ganz toll! Vielen Dank für die Reihe und deine sehr inspirierenden Videos auf YouTube!
Ich wollte fragen, ob du das Arbeitsblatt aus deinem Video „Aufgabe: Leporello zum Thema »Typologien«“ auch zum Download zur Verfügung stellst (Min. 7.22)? Ich konnte das Blatt nirgends finden. Vielen Dank und liebe Grüße! Marco